Verkehrte Welt

Gedacht und nicht getan, zum Scherz geschaffen,
luftiges Land mit Freude im Zenit,
wo Lipp und Ohr und Lunge des Schlaraffen
das Glück in seine Galle einbezieht.

Du siehst den Tiger fromm die Zähne falten,
sich still an seinem Odem gütlich tun;
es dünkt ihn faul, sich einen Feind zu halten
und läßt den Himmel, blau, auf sich beruhn.

So weit – so wo? – so wann?
Im Laube wispern meine Stiefdämonen
und trinken sich die zweite Einfalt an:

Der Muhzug pfeift, das Tutschaf bellt,
hier will auch ich bei meiner Schlimmsten wohnen,
preisend die beste aller, die verkehrte Welt.


© Rowohlt-Verlag Reinbek bei Hamburg


Titelgrafik von Horst Janssen

Daß aus dem 1929 im Ruhrgebiet geborenen Sohn einer lebensernsten Pastorentochter und eines reisenden Puppenspielers der virtuose Dichter Peter Rühmkorf wurde, ist eine schöne Geschichte. Aufklärerisch auftischend, spitzer Zunge seine Antipoden aufmischend und die Liebeslust einen Schuß Lethebeimischend, zelebrierte er seine Kunst-Stücke eines sprachlichen Hochseilartisten. Leichter Hand am Gängelband fand sich der Elbuferhamburger zwischen Freund Hein und Heine, blieb erschütterbar und widerstand.


Auswahl von Richard Pietraß