Poesie
Ich schwöre es bei deiner Ehre,
Und end ich heiser, stundenlang:
Du bist nicht Gestus der Tenöre;
Ein Sommerplatz von drittem Rang
Und Vorstadt bist du, nicht Gesang.
Du, Poesie, bist Maienschwüle,
Du bist das Feld von Schewardin,
Wo Wolken leis vor Hitze stöhnen,
Vereinzelt dann herniedersprühn
Und, sich verdoppelnd auf den Schienen –
Als Randstadt, nicht als Rundgesang –
Vom Bahnhof schließlich heimwärts kriechen,
Nicht singend, nur in irrem Gang.
Sie mehren sich in schmutzger Lache,
Und vor dem Morgengrauen schon
Angeln sie Rhythmen sich vom Dache
Und reimen ihr Akrostichon.
Mag unterm Hahn, gleich einem alten
Zinkeimer, Binsenweisheit sein,
Bleibt, Poesie, dein Strahl erhalten,
Das Heft liegt vor dir, fließ hinein!
1922
Nachdichtung: Günther Deike
Boris Pasternak fand als 1890 in Moskau geborener Sohn eines Malers und einer Pianistin den Weg zu einer sinnenwachen Natur- und Liebesdichtung aus weltoffener musischer Familie. Atemtausch und Klangrausch prägen diese Verse gänzlicher Hingabe an den zaubrisch erlebten Moment. Revolution, Kriege und Stalins Herrschaft erwiesen sich als Nadelöhre eigner Selbstbewahrung und der seiner Dichtergefährten; ihres Schicksals unterm Damoklesschwert von Verhaftung und Vernichtung, da selbst der ihm zuerkannte Nobelpreis dem Angefeindeten zur Last wurde.
Herausgegeben und ausgewählt von Richard Pietraß
ISBN: | 3-932329-90-9 | ||
EAN: | 9783931329907 | ||
Preis*: | 4,00 € | ||
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